19.12.2011rss_feed

Biodiesel gibt's nicht ohne Sojaexktraktionsschrot

Die meisten Leguminosen gehen in ihren Wurzelknöllchen eine Symbiose mit stickstofffixierenden Bakterien ein. Sie machen sich dadurch nahezu unabhängig vom Nitratgehalt des Bodens und können in stickstoffarmen Böden überleben (nach Wikipedia). Die Bakterien werden von der Pflanze ernährt. Dafür liefern die Bakterien pflanzenverfügbaren Stickstoff an die Pflanze, den sie aus dem Stickstoff der Luft gewinnen können, was keine Pflanze kann. Wenn diese Symbiose dazu führt, den Einsatz stickstoffhaltiger Mineraldünger zu reduzieren, soll das gut für die Umwelt sein. Die Sojabohne gehört z.B. zu diesen Pflanzen. Wird Soja auf einem Feld erstmals angebaut, muss das Saatgut mit dem speziellen Knöllchenbakterium der Sojapflanze (Bradyrhizobium japonicum) geimpft werden.

Die Sojabohne gilt bei langjährigem Anbau als selbstunverträglich, d.h. es muss ein Fruchtwechsel eingeplant werden, will man keine Ertragseinbußen durch vermehrte Krankheiten provozieren. Die Pflanze keimt ab Bodentemperaturen von 8 bis 10 Grad Celsius. Sie verträgt keine stauende Nässe und braucht viel Wärme. Wie bei Mais ist die Jugendentwicklung langsam. Zur Blüte im Juli ist der Wasser- und Wärmebedarf hoch. Bis zur Ernte im September oder Oktober bleibt der Wärmebedarf hoch. Das ist u.a. der Grund dafür, dass diese Pflanze v.a. auf solchen Standorten angebaut wird, die diese Voraussetzungen besser gewährleisten. Das sind u.a. die sommerheißen Regionen in Argentinien, der Ukraine, den USA und Kanadas, sowie subtropische und tropische Regionen in Brasilien, China und Indien.

Viele Kritiker glauben, dass der Sojabohnenanbau die Ursache für das Waldsterben im Regenwald ist. Und daran wiederum sei der Fleischhunger (in den Industrieländern) schuld. Doch stimmt diese Argumentation wirklich?


Von den 159 Mio. Tonnen Futter (entspricht lt. Destatis rd. 70 Mio Tonnen Getreideeinheiten), die 2008/2009 in Deutschland zu Futterzwecken eingesetzt wurden, waren rd. 4,5 Mio. Tonnen Sojaschrot (2,8 %). Der deutsche Importanteil von Futtermitteln insgesamt beträgt nach Angaben des DVT insgesamt ca. 14 % (10 Mio. t Getreideeinheiten) jährlich.

Sojaextraktionsschrot ist ein Koppelprodukt der Speise-/Dieseölgewinnung, das erst nach Erhitzung (toasten) von Schweinen verwertet werden kann (siehe Trypsin-Inhibitor). Die ganze Sojabohne findet wegen ihres hohen Ölgehaltes kaum Verwendung in der Tierfütterung. Dafür ist sie viel zu wertvoll.

Sojaöl kostete im Sept. 2011 auf dem Weltmarkt laut Datenbank der Weltbank 1305 $/t, Sojaschrot 395 $/t und die rohen Bohnen 543 $/t. Der Wert der Bohne stammte also bei diesen aktuellen Preisrelationen zu 45 % aus dem Öl und zu 55% aus dem getoasteten Ölkuchen. An Werkskosten fallen ca. 50 $/t an, bis Öl und Schrot die Ölmühle verlassen können.

Eigentlich ist Sojaschrot (korrekt: Sojaextraktionsschrot) also gar nicht so preiswert. Sojaextraktionsschrot ist teurer als Futtergerste oder Körnermais, bietet aber einen vierfach höheren Anteil an verdaulichen Eiweißen bei einem ähnlich hohen Energiegehalt wie Getreide. Mit Sojaexktraktionsschrot oder anderen eiweißreichen Nebenprodukten der Ölmühlen kann der Eiweißbedarf der Tiere gut Rechnung getragen werden.

Der Boom der Biotreibstoffe (siehe Grafik), in Deutschland u.a. verstärkt durch eine Förderung von Blockheizkraftwerken und Beimischungszwängen zu Diesel und Benzin, führte ab 2001 zu einer Verknappung der Pflanzenöle und später auch von Mais und Zucker. Die Preise für Speiseöle verdreifachten sich von 2001 bis 2008. Der Nachfrageboom nach Pflanzenölen vergrößerte die Anbauflächen und damit auch den Anfall des Nebenproduktes Sojaextraktionsschrot. Als Koppelprodukt stieg auch der Preis für Sojaexktraktionsschrot stark an.

Eine steigende Nachfrage nach Agrarprodukten, insbesondere nach Biodiesel und Agraralkohol, dehnt die Anbauflächen für Zuckerrohr und Soja in Brasilien aus. 90 Prozent des amerikanischen Biodiesels stammt aus der Sojabohne. Die Reaktion der Landwirte in den Anbauländern war abzusehen: insbesondere Grünlandflächen wurden in Ackerland für den Anbau von Zuckerrohr-, Mais und Sojabohnen umgewandelt. Die Viehherden werden an die Grenzen der Urwaldgebiete verlagert.
Problematisch ist die Umwandlung von Weideland zu Ackerland und insbesondere die Umwandlung von Urwald zu Viehweiden. So hat ein Forschungsteam aus Deutschland modelliert, wie Brasilien auf die steigende Nachfrage nach Bioenergie reagieren könnte, ohne weitere Regenwaldgebiete opfern zu müssen. Die Empfehlung: die Viehdichte sollte moderat erhöht werden und es sollten mehr Ölpalmen angebaut werden, die einen höheren Ölertrag als Sojafelder liefern.

Unabhängig davon ist der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e.V. davon überzeugt, dass ein Verzicht auf Soja nicht zu einem Verzicht auf Fleisch führen wird.

Selbst die FAO vertritt in einer aktuellen Pressemeldung die Meinung, dass sich der Fleischverzehr weltweit mehr als verdoppeln wird. Nicht nur, weil Lebensmittel tierischer Herkunft den Ernährungszustand vieler Familien mit niedrigem Einkommen nachhaltig verbessern. Fleisch, Milch und Eier liefern Proteine ​​mit einer breiten Palette von Aminosäuren und sichern eine leichte Versorgung mit sog. Mikro-Nährstoffe wie Eisen, Zink, Vitamin A, Vitamin B12 und Kalzium, zu denen viele mangelernährte Menschen sonst keinen Zugang hätten.