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Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – ein Ende mit Schrecken

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Der Bundesrat hat am 03.07.2020 über die Siebte Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung abgestimmt und den Kompromissvorschlag der Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein angenommen. Dieser Entwurf muss jetzt der EU-Kommission zur Notifizierung vorgelegt werden. Obwohl den Tierhaltern nun endlich Planungssicherheit geboten wird, stellt der Beschluss die deutsche Schweinehaltung vor enorme Herausforderungen.

Der Bundesrat hat am 03.07.2020 über die Siebte Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung abgestimmt und den Kompromissvorschlag der Länder Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein angenommen. Im Vorfeld der Verbändeanhörung kritisierte die Wirtschaft bereits, dass einige Vorschriften fachlich nicht gerechtfertigt und praktisch kaum umsetzbar seien. Dass diese Vorschriften nun in einigen Punkten der Verordnung noch überschritten werden, ist für die deutschen Ferkelerzeuger frustrierend! Die Vorstellungen des Gesetzgebers gehen weit über das hinaus, was in bestehenden Ställen baurechtlich umsetzbar ist. Ein weiterer Rückgang der Sauenhalter in Deutschland ist vorprogrammiert, wenn die erforderlichen Umbaumaßnahmen durch Regelungen des Bau- und Umweltrechts ausgebremst werden.

Die Verordnung sieht vor, dass Sauen spätestens in acht Jahren ausschließlich zum Zeitpunkt der Besamung fixiert werden dürfen. Unmittelbar nach dem Absetzen und nach der Besamung sind die Sauen in der Gruppe zu halten. Aus tierschutzrechtlichen Gründen sehen wir das kritisch, stellt die BRS-Geschäftsführerin Dr. Nora Hammer fest. Insbesondere in kleineren Betrieben ohne stabile Herden, können Rangkämpfe nach dem Absetzen zu Verletzungen bis zu Totalverlusten führen.

Die konkreten Anforderungen an das Platzangebot in diesem Zeitraum verschärfen die Problematik. Den Sauen muss zukünftig in der Gruppenhaltung eine nutzbare Bodenfläche von mindestens 5 m² zur Verfügung gestellt werden. Dieser Wert geht sogar über die Vorgaben der EU-Ökoverordnung (2,5 qm Stall plus 1,9 qm Außenfläche) hinaus. Wie auch im Wartebereich müssen davon mindestens 1,3 m² als Liegefläche gelten. Bereits während der Übergangszeit müssen die Kastenstände so gestaltet sein, dass ein uneingeschränktes Ausstrecken der Gliedmaßen möglich ist, ohne dass die Tiere dabei an bauliche Hindernisse stoßen.

Diese Forderungen sind bei gleicher Tierzahl nur mit erheblichen Umbaumaßnahmen oder alternativ mit einer drastischen Abstockung der Bestände zu realisieren. Weiterhin muss den Sauen ein zusätzlicher Aktivitätsbereich sowie Rückzugsmöglichkeiten in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Fress-Liegebuchten oder sonstige Fressplätze stellen dabei keine Rückzugsmöglichkeit dar. Da sie jedoch in den Erläuterungen als Beispiel für eine Rückzugsmöglichkeit genannt werden, ist hier aktuell noch unklar, was genau erlaubt sein wird.

Neben dem Deckzentrum wurden einige Regelungen im Abferkelbereich angepasst. Der Beschluss sieht vor, dass Sauen nach Ablauf der Übergangsfrist lediglich für maximal fünf Tage rund um den Geburtszeitraum fixiert werden dürfen. Weiterhin wurde die Größe der Abferkelbucht geregelt. Die Abferkelbucht muss zukünftig mindestens 6,5 m² betragen. Die Übergangsfrist für den Abferkelbereich wurde auf maximal 15 Jahre festgelegt. Auch hier sind enorme Umbaumaßnahmen mit einhergehenden Bestandsabstockungen in bestehenden Ställen notwendig, um die geforderten 6,5m² umsetzen zu können. Doch nicht nur die notwendigen Umbaumaßnahmen stellen die Tierhalter vor eine große Herausforderung. Die Praxis zeigt, dass der Schutz der Ferkel durch die verkürzte Fixierungsdauer der Sau nicht mehr ausreichend gewährleistet ist. Wir erwarten, dass Ferkelverluste durch Erdrücken deutlich ansteigen werden und somit die Tierschutzbemühungen der Bundesregierung konterkarieren, bedauert Dr. Nora Hammer die neuen Vorgaben. Die neuen Platzvorgaben sind durch betriebseigene Mittel finanziell nicht zu stemmen, kritisiert sie zusätzlich. Im Falle einer Bestandsreduzierung führt diese Vorgabe zu Einkommensverlusten und erhöht das Risiko, laufende Kredite nicht bedienen zu können. Die in Aussicht gestellten 300 Mio. Euro stellen nur einen Tropfen auf dem heißen Stein dar, ist sich die Geschäftsführerin des Bundesverbandes Rind und Schwein e.V. sicher.

Nichts desto trotz - die monatelange Unsicherheit hat ein Ende. Die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung bietet endlich wieder Planungssicherheit. Entscheidend ist nun, eine praktikable Gestaltung der Ausführungshinweise zu erreichen. Somit sind eine Anpassung des Bau- und Umweltrechts sowie eine langfristige finanzielle Unterstützung zur Umsetzung der hohen Tierwohlinvestitionen unerlässlich. Die Bundesregierung hat dies bereits erkannt und den Empfehlungen der Borchert-Kommission zum langfristigen Umbau der deutschen Tierhaltung bis 2040 zugestimmt. Ohne finanzielle Unterstützung wird eine tierwohlgerechte Umsetzung der neuen Anforderungen nicht gelingen. Dies wird auch in den Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung deutlich. Die Borchert-Kommission beziffert die Kosten des Umbaus mit 3,6 Mrd. € jährlich ab 2040. Nun müssen konkrete und langfristige Finanzierungspläne vorgelegt werden, um den Tierhaltern eine Zukunftsperspektive zu ermöglichen.