01.07.2020rss_feed

Unternehmen aus Landwirtschaft werden bei Zinsen und Krediten benachteiligt

Schon vor der Covid-19-Krise hatten die Landwirte sowie die Agrar- und Lebensmittelunternehmen in der EU einen hohen Finanzbedarf, der maßgeblich durch Finanzierungen aus Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) gedeckt wurde. Basierend auf den Rückmeldungen von 7.600 Landwirtinnen und Landwirten und 2.200 Agrar- und Lebensmittelunternehmen aus der gesamten EU veranschaulichen die am 11. Juni 2020 veröffentlichten fi-compass-Länderberichte, mit welchen Schwierigkeiten diese beiden Gruppen bei der Kapitalbeschaffung konfrontiert werden. Für die gesamte EU wurden Finanzierungslücken in der Landwirtschaft von 19,8 bis 46,6 Milliarden Euro und im Agrar- und Lebensmittelsektor von rund 12,8 Milliarden Euro ermittelt, die sich durch die aktuelle Krise noch weiter vergrößern dürften. Die Länderberichte zeigen, dass landwirtschaftliche Betriebe in den meisten europäischen Ländern höhere Zinsen und schlechtere Konditionen akzeptieren müssen als Akteure in anderen Wirtschaftssektoren. Zudem wurde festgestellt, dass die Kredit- und Rückzahlungsbedingungen – unabhängig von der Leistung des Sektors – nicht flexibel genug sind, was für die Landwirte jedoch besonders wichtig wäre. Im Gegensatz zu Großbetrieben finden kleine landwirtschaftliche Betriebe, vor allem Junglandwirte und neue Markteinsteiger, nur selten Zugang zu geeigneten Finanzierungen.


Ergebnisse für Deutschland:

 

Aus dem Länderbericht für Deutschland (siehe Anhang) geht hervor, dass Deutschland seine Position als einer der größten Agrarproduzenten in der EU behaupten konnte, obwohl es seit 2015 schwierige Jahre erlebt hat. Infolge des Strukturwandels in der Branche haben sich die Landwirte von der gemischten Landwirtschaft abgewandt und sich zunehmend auf eine einzige Produktionsart spezialisiert. Gleichzeitig haben die landwirtschaftlichen Großbetriebe an wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen. Die Investitionen im Landwirtschaftssektor haben sich seit 2012 auf einem relativ hohen Niveau stabilisiert. Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 9,2 Milliarden Euro in den Agrarsektor investiert, was 56% der Bruttowertschöpfung (BWS) entsprach und damit deutlich über dem Durchschnitt der anderen 24 untersuchten Länder lag, die es nur auf etwa 30% brachten. Am meisten wurde in landwirtschaftliche Ausrüstung und Maschinen investiert.

 

Folgende Faktoren hatten den größten Einfluss auf die Entwicklung der Investitionen im deutschen Agrarsektor:

(i) Erweiterung und Spezialisierung der landwirtschaftlichen Betriebe

(ii) Modernisierung der Produktionstechnologien (Trend zu einer kapitalintensiveren Landwirtschaft)

(iii) Vorschriften und Normen sowohl auf EU- als auch auf Bundesebene, die die Landwirte dazu drängen, in ihre Betriebe zu investieren, um die Einhaltung dieser Anforderungen zu gewährleisten

(iv) Investitionen in nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten (Einkommensdiversifizierung gewinnt an Bedeutung)

(v) Anpassung an den Klimawandel und Investitionen in Ressourceneffizienz (relativ neue Trends)

 

Das landwirtschaftliche Kreditportfolio wächst stärker als das Gesamtkreditportfolio für die gesamte Wirtschaft. Ende 2017 beliefen sich die ausstehenden Darlehen an den Landwirtschaftssektor auf 53,2 Milliarden EUR, was einem Anstieg um 25 % gegenüber 2010 entspricht. Ein großer Teil besteht aus Vorzugskrediten, die von der Landwirtschaftlichen Rentenbank bereitgestellt werden. Trotz dieses günstigen wirtschaftlichen und politischen Kontextes zeigt die Analyse, dass in Deutschland eine geschätzte Finanzierungslücke zwischen 0,5 und 1,7 Milliarden Euro besteht. Die Lücke betrifft vor allem kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe (unter 100 ha) und die meisten Schwierigkeiten beim Zugang zu Finanzmitteln betreffen langfristige Darlehen (über 5 Jahre). Der Zugang zu Finanzmitteln ist für Landwirte vor allem aufgrund fehlender Sicherheiten und einer fehlenden Kreditgeschichte eingeschränkt. Insbesondere kleine Betriebe und Junglandwirte sind manchmal nicht in der Lage, ausreichende Sicherheiten zur Absicherung der Kredite zu stellen. Landwirtschaftliche Nutzflächen sind traditionell die wichtigsten Sicherheiten, die von den Banken bei der Kreditvergabe an Landwirte verwendet werden, aber in Deutschland sind sie aufgrund der steigenden Bodenpreise für die Kleinbetriebe sowie für Junglandwirte und Neueinsteiger unerschwinglich geworden. Problematisch auf Seiten der Banken ist dem Bericht zufolge unter anderem die Tatsache, dass einige Finanzakteure keine Kenntnisse über die Landwirtschaft haben und die spezifischen Risiken des Sektors nicht vollständig verstehen.