20.01.2022rss_feed

Konjunkturbarometer: beschleunigt die geplante Dekarbonisierung den Strukturwandel?

Dem Agribusiness – in Deutschland mit 240 Milliarden Euro die zweitumsatzstärkste Branche des verarbeitenden Gewerbes – kommt eine zentrale Bedeutung bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft zu. Ohne das Agribusiness wird die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft nicht gelingen, mahnt Dr. Christian Janze, Partner bei EY, anlässlich der Vorstellung des Konjunkturbarometers Agribusiness in Deutschland 2022 der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY und des Departments für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen. Die Studienautoren werden von dpa mit den Worten zitiert, dass vor allem kleinere Bauernhöfe diesen Weg alleine nicht schultern könnten und dass eine Dekarbonisierung das Risiko für einen weiteren rasanten Strukturwandel berge.


Aus dem Konjunkturbarometer (S. 13 ff)

 

Bei Betrachtung der globalen CO2-Emissionen fällt auf, dass Europa als einzige Region eine leicht sinkende Tendenz verzeichnen kann. (Abb. 6) Dahingegen zeigen sich insbesondere in Afrika und Asien deutlich steigende Trends hinsichtlich der CO2-Emissionen ab. Die Emissionen aus Australien und Amerika bleiben eitestgehend konstant. Basierend auf dem 5-Jahres-Trend erwarten wir, dass ohne korrigierende Maßnahmen in Afrika undAsien verstärkt CO2 emittiert und in Europa weiterhin eingespart wird. Trotz der Novellierung des Klimaschutzgesetzes in Deutschland bleibt fraglich, ob deren Ziele tatsächlich erreicht werden können und welche Bedeutung sie langfristig spielt. Dazu möchten wir das Carbon-Leakage betrachten. Es umschreibt das Risiko, dass Unternehmen aufgrund zu strenger gesetzlicher Vorgaben im europäischen Emissionshandel in Staaten ohne vergleichbare Klimaschutzstandards abwandern. Als Konsequenz werden nicht nur CO2-Quellen, sondern auch Arbeitsplätze verlagert. Weitere Zweifel entstehen beim Blick auf die globale Entwicklung der CO2-Emissionen. Demnach können die voraussichtlichen Einsparungen in Europa bis 2050 einen globalen Anstieg der CO2-Emissionen nicht kompensieren, was nicht als Grund dienen sollte, keine eigenen Anstrengungen zu unternehmen. Weitere Herausforderungen stellen Zielkonflikte zwischen Umwelt- und Tierschutz bei gleichzeitiger Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dar. Schließlich nimmt Deutschland eine bedeutende Rolle auf dem Exportmarkt ein. Die Forderung, höhere Lebensmittelpreise einzuführen, um so Klimaschutz und Tierschutz in Deutschland voranzubringen, reicht nicht aus. Neben den nationalen Anstrengungen zur Dekarbonisierung müssen vor allem globale Lösungen gefunden werden. Dazu gehören verbindliche globale Richtlinien in einem weiterhin in vielen Bereichen liberalisierten Weltmarkt, um die Entstehung von Standortnachteilen in Regionen mit strengeren gesetzlichen Vorgaben zur Dekarbonisierung zu vermeiden, das Abwandern der Industrie zu verhindern und vor allem die globalen CO2-Emissionen des Sektors zu reduzieren. Dazu gehören global wirksame Richtlinien, die die Produktion und insbesondere den Verkauf von Lebensmitteln in Europa regeln (z. B. in analoger Anwendung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes). Neben gesetzlichen Regularien gilt es, Maßnahmen zur CO2-Einsparung zu fördern.