21.07.2023rss_feed

Larven als Futtermittel - eine Ökobilanz aus Österreich

Nachdem das Interreg NWE-Projekt ValuSect bereits zwei erfolgreiche Förderprogramme für essbare Insekten auf den Weg gebracht hatte, wurde der Förderbereich auf Futterinsekten ausgeweitet und eine dritte Förderphase ins Leben gerufen. Diese richtet sich speziell an KMU, die Unterstützung bei der Aufzucht und Verarbeitung von Insekten, der Produktentwicklung, dem Marketing und der Kommunikation benötigen.


Larvenprotein nachhaltiger als Sojaprotein?

Die Erzeugung von Protein aus Insekten gilt als Ressourcenschonend und als nachhaltigere Variante als z.B. der Import von Sojaprotein. Aber ganz so einfach ist das nicht.

Dr. Peter Schweiger hat für Global2000 bereits 2021 die Ökobilanz betrachtet (Schweiger, Peter (10/2021): Larven als Futtermittel - Ökologische Analyse, GLOBAL 2000 / Friends of the Earth Austria, Wien) und kommt unter 3.4 (Seite 43) zu folgenden Ergebnissen:

Abhängig vom gewählten Zuchtsubstrat liegen die CFPs von 1 kg Larvenmehl im Bereich 2,11 bis 4,36 kg CO2-eq Umgerechnet auf einen Proteingehalt von 65 % entspricht das CFPs von 3,25 bis 6,71 kg CO2-eq/kg Protein. Sojamehl aus den USA weist im Vergleich dazu mit gerundeten 0,43 kg CO2-eq/kg einen deutlich niedrigeren CFP auf. Dazu müsste noch der Umwelt-Impact des Transports nach Österreich gerechnet werden, welcher nach GLOBAL 2000/Wohner (2017) auf ca. 0,37 kg CO2-eq kommen würde. Das würde für 1 kg in Österreich erhältliches Sojamehl aus den USA einen CFP von ca. 0,8 kg CO 2-eq ergeben. Da Sojamehl einen Proteingehalt im Bereich von typischerweise 43 bis 49 % enthält, müsste für eine Umrechnung auf die Klimawirksamkeit pro kg Protein der CFP-Wert von Sojamehl dementsprechend durch 0,43 bis 0,49 dividiert werden (bei 47 % => 1,7 kg CO2-eq/kg Protein). Im Gegensatz zu nordamerikanischem Sojamehl hatSojamehl aus Brasilien bereits bei Heranziehen des ecoinvent-Eintrags (= 3,24 kg CO2-eq) einen höheren CFP als Larvenmehl aus auf einem alternativen Zuchtsubstrat gezüchteten Insektenlarven (= 2,11 kg CO2-eq). Dieser Vergleich verschiebt sich noch weiter zugunsten des Larvenmehls, wenn in der Berechnung des CFPs von Sojamehl aus Brasilien die Auswirkungen der Landnutzungsänderung adäquat berücksichtigt wird (Abschnitt 3.3.1). Damit erhöht sich der CFP von in Österreich erhältlichem brasilianischem Sojamehl auf ca. 8 kg CO2-eq. Umgerechnet auf Basis vom Proteingehalt (Annahme 47 %) würde das eine Klimawirksamkeit von ca. 17 kg CO2-eq pro kg Sojaprotein ergeben (Tabelle 8).

Das würde bedeuten: Sojamehl aus Südamerika wäre künftig tabu und wir sollten mehr aus Nordamerika importieren? Insektenprotein könnte gar nicht empfohlen werden? Nein.


Es fehlt an Nachhaltigkeitsbewertungen und Opportunitätskostenkalkulationen

Der Autor macht in seiner Arbeit auf Schwächen einer Ökobilanzierung aufmerksam.

Die Durchführung einer Ökobilanz für einen umfassenden Vergleich der ökologischen Nachhaltigkeit von Larvenprotein mit den funktionsentsprechenden Referenzprodukten Protein aus Sojamehl und Protein aus Fischmehl weist aber auch gewisse Schwächen auf.
So kann derzeit aufgrund fehlender Methodik eine Umweltwirkung im Bereich der Biodiversität (Wirkung auf Lebensräume, Artenvielfalt, Populationsgrößen) mithilfe einer Ökobilanz nur unzureichend bis gar nicht abgebildet und bewertet werden. Aber speziell die Produktion von Fischmehl und auch im gewissen Grad von Sojamehl ist gerade im Bereich Biodiversität besonders problematisch. Eine allein auf den Bilanzergebnissen beruhende vergleichende Bewertung von Larvenprotein mit Protein aus diesen Produkten würde daher diesen wesentlichen Bereich der Umweltwirkung ausblenden.


Schweiger geht in seiner Zusammenfassung daher davon aus, dass Larvenprotein in manchen Kategorien eine gegenüber Protein aus Sojamehl günstigere Umweltwirkung aufweist, dass aber in einigen anderen Kategorien noch an Lösungsansätzen zur Reduktion der Umweltwirkung gearbeitet werden sollte. Er macht auch deutlich, dass die vorliegenden Ergebnisse anhand der Larvenproduktion einer Pilot-Anlage erhalten wurden, welches gewisse allgemeine Schlüsse zulässt. Die Erkenntnisse eignen sich aber nicht für eine konkrete Bewertung von Larvenprotein aus anderen Produktionsstätten mit möglicherweise abweichenden Produktionsabläufen.

Er empfiehlt daher für eine Absicherung der Ergebnisse, zusätzliche empirische Daten über weitere, in ihren Prozessabläufen und ihrer Dimension variierende Produktionsstätten.


Fazit

Untersuchungen zur Ökobilanzierungen und Nachhaltigkeitskalkulationen für alternative Proteine in der Nutztierfütterung sind rar. Die Untersuchungen aus Österreich sind die ersten, die Schwächen aufzeigen und weitere Untersuchungen einfordern.

Sie machen außerdem deutlich, dass Ergebnisse von vielen Faktoren abhängen und nicht einfach übertragen werden können.

Die Ergebnisse aus Österreich wurden nur ein Jahr später von Wissenschaftlern des Department of Agricultural, Food and Environmental Sciences, Università Politecnica delle Marche, Italy, bestätigt.

Unabhängig von derartigen Untersuchsschwächen scheint unstrittig: der Nährwert von Insektenprotein in der Tierfütterung ist hoch.